Hallo liebe Eltern,
Dieser Blogbeitrag mag sehr spezifisch nur manche Familien betreffen, aber ich bin doch immer wieder erstaunt wie viele Kinder tatsächlich bilingual aufwachsen und in wie vielen Familien mehrere Sprachen gesprochen werden. Unsere Familie ist eine davon.
Ich selbst bin auch bilingual (Englisch und Deutsch) aufgewachsen. Ich habe also zwei Muttersprachen, obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin. Von daher bin ich in der privilegierten Position mit wenig Mühe meinen Kindern auch diese Möglichkeit weitergeben zu können.
Da ich in meinem Leben immer nur das Gefühl hatte, von meiner bilinguale Erziehung zu profitieren, war es mir recht früh klar, dass ich auch meine Kinder bilingual erziehen möchte. Als ich mich jedoch näher mit diesem Thema auseinandersetzte, merkte ich erst, wie viele verschiedene Meinungen, Strategien und Dispute zu diesem Thema existieren. Ich wusste vorher gar nicht, wie kontrovers dieses Thema überhaupt diskutiert wird.
Doch keine Sorge, ich habe die Informationsflut durchkämmt und die meiner Meinung nach wichtigsten Erkenntnisse herausgezogen, in der Hoffnung, dass auch ihr davon etwas mitnehmen könnt. Dabei möchte ich keine Regeln vorgeben, wie eine bilinguale Erziehung am besten durchzuführen ist, vielmehr möchte ich dabei helfen, den für deine Familie richtigen Weg zu finden und vor allem durchzuziehen.
Einen Plan machen
Vielleicht klingt das ein bisschen übertrieben, gerade wenn man seine eigene Muttersprache weitergeben möchte. Trotzdem glaube ich, dass das eines der wichtigsten Schritte in der bilingualen Erziehung ist. Es muss einem bewusst werden, was man genau erreichen möchte. Soll das Kind mit einer weiteren Muttersprache aufwachsen? Soll es vielleicht nur ein Gefühl oder Grundkenntnisse einer zweiten Sprache haben?
Wenn man sich erst einmal klar gemacht hat, was das Ziel sein soll, kann man das weitere Vorgehen planen. Und dabei gibt es zwei wichtige Punkte zu beachten, die den Spracherwerb maßgeblich beeinflussen: Expositionszeiten und das Konsequent bleiben.
Exposition
Wenn es euch geht wie unserer Familie, spricht ein Elternteil die „community language“, also die Sprache die größtenteils auch vom Umfeld gesprochen wird, während die zweite Sprache die „minority language“ darstellt (natürlich können es theoretisch auch zwei minority languages sein, die jeweils von der community language abweichen). Spezifisch im Falle unserer Familie spricht mein Mann hauptsächlich Deutsch mit den Kindern, wir wohnen in Deutschland und die Kinder gehen in eine deutschsprachige Einrichtung. Ich auf der anderen Seite spreche Englisch mit den Kindern. Auch meine Mutter und Großmutter sprechen mit den Kindern Englisch, aber sie sind kein großer Einfluss in unserem Alltag, weil sie einfach zu weit weg wohnen.
Ich bin also die primäre Expositionsquelle der minority language. Um diese Exposition also zu maximieren, haben wir uns für das „OPOL“-Modell entschieden. OPOL steht in diesem Fall für „One parent one language“ und ist damit wahrscheinlich auch das gängigste Modell. In unserer Konstellation müssen wir uns um den Erwerb der community language keine Sorgen machen – durch den Alltag in der Kita ist die Expositionszeit sehr hoch. Zudem spricht ja auch noch Papa Deutsch mit den Kindern und ich spreche auch mit meinem Mann Deutsch.
In anderen Familienkonstellationen mag das anders aussehen. Wenn beide Elternteile die minority language sprechen, das Kind womöglich auch noch kitafrei erzogen wird und weitere enge Bezugspersonen auch hauptsächlich die minority language sprechen, kann der Erwerb der community language das „kritischere“ sein. In so einem Fall ist es natürlich eine andere Überlegung – wie maximiert man die Exposition zur community language, damit das Kind beispielsweise beim Schuleintritt keine Probleme hat.
In meinem Fall jedoch stehe ich also mit dem Englisch relativ allein da und da ich auch noch arbeite, muss ich möglichst viel Englisch mit den Kindern sprechen. Und das tue ich auch und zwar absolut konsequent. Wobei wir auch schon beim nächsten Punkt wären.
Konsequent sein
Immer. Mama spricht nur Englisch. Punkt. Ich kenne viele Familien, bei denen es nicht konsequent durchgezogen wurde und die (jetzt erwachsenen) Kinder haben die zweite Sprache eben nicht auf Muttersprachenniveau mitgenommen. Kinder werden es versuchen, in der anderen Sprache mit einem zu sprechen. Immer wieder. Mein Sohn ist im Kindergartenalter und bringt oft neue Wörter (auf deutsch natürlich) nach Hause und benutzt sie auch mit mir. Ich ignoriere ihn dann nicht (das hat meine Mutter getan, aber das habe ich gehasst und finde es auch nicht fair dem Kind gegenüber), aber ich wiederhole was er gesagt hat auf Englisch. Beispiel:
„Mommy, we went on a Spaziergang today!“ „That’s so cool, you took a walk? Where did you go?“
Es soll dabei nicht wie ein Verbessern und korrigieren wirken, aber ich biete damit dem Kind das Wort in meiner Sprache an, das ihm offensichtlich in dem Moment gefehlt hat. Keinesfalls möchte ich seinem Selbstbewusstsein durch ein „It’s called a walk not a Spaziergang!“ schädigen. Im schlimmsten Falle traut sich ein Kind so gar nicht mehr die Sprache zu sprechen, aus Angst Fehler zu machen.
Andere Modelle
OPOL (one parent one language), obwohl beliebt, muss nicht für jede Familie das beste sein. Man kann sich auch für individuelle Muster und Regeln entscheiden. Beispielsweise: Bei Tisch sprechen wir alle Französisch. Außerhalb des Hauses wird nur Chinesisch gesprochen. Montags und Mittwochs sprechen wir nur Spanisch. Wenn Oma zu Besuch kommt sprechen wir nur Türkisch und so weiter. Die Möglichkeiten sind endlos. Es ist nur wichtig, dass man konsequent bleibt, und darin sehe ich bei den anderen Modellen große Schwierigkeiten. Denn wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, mit jemandem eine bestimmte Sprache zu sprechen, ist es sehr schwer wieder aus diesem Muster auszubrechen. Beispielsweise wollte mein Mann eine Zeit lang, dass ich mit ihm Englisch spreche, wir haben es aber einfach nicht durchziehen können. Schon nach ein paar Minuten sind wir wieder ins gewohnte Deutsch zurück gefallen. Trotzdem:
Auch diese Modelle sind durchaus eine Möglichkeit, auch wenn sie vielleicht etwas mehr Arbeit bedürfen, konsequent zu bleiben. Ich kenne aber auch Familien, die damit erfolgreich sind.
Wenn man nur eine Muttersprache hat
Erst einmal: Nicht jedes Kind muss bilingual aufwachsen. Man kann auch wunderbar mit nur einer Muttersprache groß, glücklich und erfolgreich aufwachsen. Und mir ist auch durchaus bewusst, dass so ziemlich alle Englisch lernen und meine Kinder gar nicht so einen außergewöhnlichen Vorteil haben werden. Aber wenn die Möglichkeit schon einmal besteht, warum sollte man sie nicht nutzen? Auf der anderen Seite stelle ich es mir sehr schwierig vor, konsequent eine Sprache zu sprechen, die nicht die eigene Muttersprache ist. Man hat einfach manche Dinge – und in meiner Erfahrung oft das Ausdrücken von Gefühlen – die man einfach in der eigenen Muttersprache besser kann. Und an erster Priorität sollte in meinen Augen stehen, seinem Kind gegenüber authentisch bleiben zu könen.
Und doch kann man ja beispielsweise immer beim Essen Englisch sprechen, auch wenn es nicht die eigene Muttersprache ist, bekommen die Kinder so schon ein Gefühl für die Sprache und können schon ein Vokabular aufbauen.
Zudem ist es natürlich immer möglich andere Bezugspersonen mit einer anderen Muttersprache ins Leben der Kinder zu bringen. Vielleicht ein Au-Pair, oder eine/n Tagesmutter/-vater, Leihoma/-opa, Babysitter/in etc.
Fremde Meinungen ignorieren
Ich habe schon wirklich viel gehört, was das bilinguale Aufwachsen meiner Kinder betrifft. Die überwiegende Mehrheit der Kommentare war bisher positiv, aber ein paar wirklich seltsame, übergriffige, negative Äußerungen sind mir doch im Kopf geblieben. Beispielsweise waren wir einmal in einem Hotel in Österreich. Beim Frühstücksbuffet sprach ich mit meinem Sohn Englisch. Eine Frau sprach mit daraufhin in gebrochenem Englisch an, wo wir denn herkämen. Ich erklärte ihr auf Deutsch, dass wir aus Deutschland kommen und warum ich Englisch spreche. Da war sie fast persönlich beleidigt, dass man aber bitte sicher gehen müsse, dass das arme Kind auch Deutsch lerne.
Oft kriege ich auch besorgte Fragen, ob denn dann nicht die Sprachentwicklung meiner Kinder verzögert sei. In unserem Falle konnte das bisher nicht festgestellt werden, obwohl es Studien gibt, die zeigen, dass bilinguale Kinder manchmal etwas verspätet sprechen (wenn man jede Sprache allein betrachtet). Sie zeigen jedoch auch, dass langfristig keine sprachlichen Defizite zu erwarten sind. Ich möchte damit nicht sagen, dass es vielleicht Einzelfälle gibt, in denen es womöglich kontraproduktiv ist, eine zweite Sprache einzuführen. Das ist aber eine Frage für Experten auf dem Thema und ich würde auch immer eine Zweitmeinung einholen und nicht blind dem Rat eines einzelnen Kinderarztes o.ä. folgen.
Lasst euch von anderen Meinungen nicht verunsichern. Informiert euch und seid von eurer Entscheidung überzeugt, dann ist es egal, was andere dazu sagen.
Leider habe ich oft mitbekommen, dass Menschen, die die Zweisprachigkeit meiner Kinder lobten gleichzeitig Familien mit Migrationshintergrund kritisierten, wenn sie nicht ausschließlich Deutsch sprachen. So zwischen verschiedene Sprachen zu unterscheiden ist rassistisch und nur weil jemand einen Migrationshintergrund hat, heißt es nicht, dass die Kinder kein Deutsch lernen, nur weil auch eine zweite Sprache gesprochen wird. Siehe oben meine Aussage zum authentisch bleiben. Es gibt Dinge, die kann man einfach nur auf seiner Muttersprache richtig ausdrücken.
Meine persönlichen Erfahrungen
Zum Abschluss wollte ich noch meine Erfahrungen als bilingual aufgewachsenes Kind teilen. Meine Eltern haben mich grob nach dem OPOL Modell erzogen, aber erst als ich mit vier Jahren in den Kindergarten kam. Bis dahin sprachen beide meine Eltern mit mir Englisch, meine Eltern untereinander Deutsch und die community language war hier in Deutschland natürlich auch Deutsch. Als ich in den Kindergarten kam wechselte mein Vater zu Deutsch. In Englisch habe ich so gesehen also einen vierjährigen „Vorsprung“ und trotzdem muss ich gestehen, dass Deutsch meine stärkere Sprache ist. Ich denke, dass hat vor allem damit zu tun, dass ich (außer ein paar Jahre internationale Schule am Ende meiner Schulzeit) auf normalen deutschsprachigen Schulen war und auch meine „Peer Group“ immer hauptsächlich deutschsprachig war.
Als Kind stellte ich es gar nicht so sehr in Frage, dass ich zwei Sprachen spreche, ich weiß nur, dass es mich manchmal nervte, wenn Leute sagten: „sag mal was auf Englisch!“, sonst hatte ich Englisch in der Schule tatsächlich erst ab der siebten Klasse, ich habe nämlich mit Französisch als erste Fremdsprache angefangen. In Französisch war ich immer ganz gut, aber kein Überflieger, die zwei Muttersprachen haben mich also nicht automatisch zu einem Sprachengenie gemacht; meine Stärke liegt trotzdem eher im mathematischen Bereich.
Im Englischunterricht habe ich mich gelangweilt. Die meisten Lehrer hatten dafür Verständnis und forderten mich mit anderen Aufgaben und ließen mich Bücher lesen. Da war der spätere Wechsel auf die internationale Schule eher eine Herausforderung. Englisch war da keine automatische 1 mehr und tatsächlich war Englisch auf dem Niveau dann eine meiner schwächeren Fächer.
Ich bin meinen Eltern unglaublich dankbar, dass sie mir ermöglicht haben zwei Muttersprachen zu haben. Es erleichtert vieles und ich glaube tatsächlich, hätte ich Englisch so lernen müssen, wäre ich wahrscheinlich nicht so gut darin gewesen (Englisch ist in vielen Dingen total unlogisch, das hat mich schon immer genervt).
Jetzt als Mutter zweier Kinder bereitet es mir große Freude den Prozess des Spracherwerbs zu verfolgen. Manchmal kommen sehr witzige Sachen dabei raus, manchmal bin ich total erstaunt, was sie schon alles – in zwei Sprachen – kommunizieren können.
Es ist leichter als man denkt
Versprochen. Ich hatte während meines Studiums einen Kater (in diesem spezifischen Beispiel meine ich tatsächlich eine männliche Katze). Ich habe mit diesem Kater gesprochen wie ein Baby, aber auf Deutsch. Irgendwie kam mir das ganz natürlich und weil damals mein Kater eben mein „Baby“ war, war der Gedanke mit meinem wirklichen Baby plötzlich Englisch zu sprechen irgendwie doch erstmal seltsam. Ich hab allerdings schon in der Schwangerschaft damit angefangen meine Gespräche mit dem Fötus auf Englisch zu führen und irgendwann wurde es natürlich. Inzwischen kann ich gar nicht mehr anders. Ich muss mich auch sehr zusammenreißen mit fremden Babys Deutsch zu sprechen (zugegeben – wenn ihr mich allein mit eurem Baby lassen würdet, würde ich wahrscheinlich Englisch mit ihm sprechen).
Was ich damit sagen möchte: man gewöhnt sich dran und es wird einfach total natürlich. Also keine Angst – wenn ihr eure Kinder bilingual erziehen möchtet – macht es, es ist ein unglaubliches Geschenk!
Habt ihr noch Fragen, Anregungen, Meinungen dazu? Erzieht ihr vielleicht schon eure Kinder bilingual oder vielleicht sogar multilingual? Ich würd gerne von euch hören! Lasst mir doch bitte einen Kommentar mit euren Erfahrungen und Geschichten.
Bis bald and see you soon!
Dr. Mama